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Landesregierung war während der Flut in der Zuständigkeit

Zum heutigen Rechtsgutachten von Prof. Dr. Bernd Grzeszick gibt der Obmann der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, Dirk Herber, folgendes Statement ab:

„Die heutigen Ausführungen des Rechtsgutachters Prof. Dr. Bernd Grzeszick bestätigen die Auffassung der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, wonach das Land mit der ADD im Verlauf der Nacht die Einsatzleitung inne hatte. Es drängt sich die Frage auf, ob sich die ADD objektiv rechtwidrig verhalten hat. Es ging um zentrale Gefahrenabwehrmaßnahmen bei einem überregionalen Großschadensereignis. Damit war die Landesregierung in der Pflicht, sich ein umfassendes Lagebild zu verschaffen und rechtzeitig zu handeln. Das ist nicht passiert. Während in Luxemburg bereits um Mitternacht ein Krisenstab der Regierung zusammentrat, sah die Landesregierung sich nicht in der Verantwortung. Dies haben Innenminister Lewentz und ADD-Präsident Linnertz in der vergangenen Vernehmung öffentlich kundgetan. Diese Rechtsauffassung der Landesregierung ist offensichtlich falsch!


Zum Hintergrund:


Nicht zuletzt aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung und zur Sicherstellung einer effektiven Vorsorge und Gefahrenabwehr, können die §§ 6 und 24 LBKG sehr wohl dazu führen, dass nicht die Gemeinden und Landkreise, sondern unmittelbar das Land zuständig ist. So kann es selbstverständlich auch außerhalb der Umgebung kerntechnischer Anlagen immer wieder zu außergewöhnlichen Einsatzlagen kommen, bei denen das Land, in Form der ADD, die Einsatzleitung hat und im Rahmen ihrer Aufgabenstellung handeln muss.

 

1. Für den Übergang der Leitung auf das Land sieht Prof. Grzeszick mindestens die folgenden drei Punkte:
- die Anforderung von überörtlicher, nicht nur nachbarschaftlicher Hilfe,

- die Bitte um Ressourcen (z. B. Sandsackreserve oder BHP 500) aus dem Landeslager,
- und die Bitte um Mittel aus der Katastrophenhilfe des Bundes, die ausschließlich den Ländern zur Verfügung gestellt wird und zwar schon einzeln und für sich genommen als Indikatoren für den gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeitswechsel an. Alle drei Elemente waren in Rheinland-Pfalz, insbesondere im Landkreis Ahrweiler, am Abend des 14. Juli jedoch spätestens in der Nacht zum 15. Juli 2022 sogar gleichzeitig erfüllt. Stattdessen versteckte sich die Landesregierung argumentativ hinter Unzuständigkeit und Unwissenheit.


2. Der Gutachter stellte eindeutig klar, dass – anders als von der Landesregierung immer wieder behauptet – die Übernahme der Einsatzleitung durch die ADD nicht von einem Bittgesuch eines Landkreises abhängt. Sie scheitert auch nicht an den fehlenden Ortskenntnissen der ADD. Auch nach der Übernahme durch die ADD bleibt die kommunale Leitung weiter unmittelbar eingebunden, die Sachnähe und lokalen Gegebenheiten werden so weiter berücksichtigt. Die Öffentlichkeit wird mit diesen sich als falsch herausstellenden Begründungen in die Irre geführt, um von der eigenen Zuständigkeit abzulenken. Das argumentative Kartenhaus des Innenministeriums ist heute krachend zusammengebrochen.

 

3. Darüber hinaus ist die staatliche Ebene auch ihrer gesetzlichen Verpflichtung gem. § 6 Nr. 2 LBKG nicht nachgekommen. Sie hat gerade nicht bereits am 14. Juli 2021 eine stabsmäßige Führungsorganisation für die Bewältigung außergewöhnlicher Gefahren eingerichtet. Die immer wieder in den Vordergrund geschobene Koordinierungsstelle der ADD erfüllt die gesetzlichen Vorschriften nicht annähernd. Sie ist gesetzlich nicht einmal vorgesehen. Es drängt sich sehr auf, dass man weder eine Einsatzübernahme im Rahmen des LBKG ernsthaft geprüft noch an die eigenen Fähigkeiten geglaubt hat. Gerade aber die Katastrophenschutzstelle der ADD hätte bereit sein und prüfen müssen, ob die eigene unmittelbare Zuständigkeit besteht. Dafür hätte sie sich, und zwar mit einem vollständigen Stab, ein um-fassendes Lagebild der Gefahrensituation in Rheinland-Pfalz machen müssen.


4. Weil Kommunen im Katastrophenfall rasch an ihre Leistungsgrenzen kommen, dürfen vom Land zur effektiven Gefahrenabwehr und damit zum Schutz von Leib und Leben, keine absurden Anforderungen an das entscheidende Merkmal der Erforderlichkeit der zentralen Abwehrmaßnahmen gestellt werden, womöglich in der stillen Hoffnung, dass die eigene Zuständigkeit nie entstehen kann.

Nach dieser rechtlichen Einordnung steht nunmehr auch rechtlich fest, dass
- sich das Land mit einem vollständigen Stab ein umfassendes Lagebild der Gefahrensituation in Rheinland-Pfalz hätte machen müssen,
- die groben kommunikativen Defizite innerhalb der Landesregierung dieses Lagebild möglicherweise noch verschlechtert haben und

- die eigene unmittelbare Zuständigkeit wegdefiniert wurde.


In den kommenden Wochen bis zur Sommerpause werden wir – trotz aller Bagatellisierungsversuche – nunmehr genau prüfen, welche politische Verantwortung Innenminister Roger Lewentz und Präsident Thomas Linnertz tragen."